Vertreibung
Im Frühjahr 1946 zogen die ersten Handwagentrecks durch Baitzen und weiter nach Frankenstein. Dabei handelte es sich um Bewohner von Schlottendorf, Reichenau, Hertwigswalde und anderen Dörfern. Viele mussten ihre Wohnungen innerhalb von zwei Stunden verlassen. Pro Person durfte kaum merh als ein gefüllter Rucksack mitgenommen werden. Es war schon ein Jammer, die Erniedrigung dieser Menschen mit ansehen zu müssen. Wie aber muss da erst den Betroffenen zu Mute gewesen sein?
Anfang April mussten auch Teile der Baitzner Einwohnerschaft diesen Gang antreten. Doch lassen wir wieder Burgel Drescher berichten:
10. April
Die Bekanntmachung zum Aussiedeln der Gemeinde wird rausgegeben. Alles packt und macht sich fertig.
11. April
In den frühen Morgenstunden kommt Miliz und jagt die Bewohner aus den Wohnungen und versiegelt sie. Wer eine Arbeitsbescheinigung besitzet, darf hierbleiben auf kurze Zeit. Auch solche Familien, die Kranke haben, brauchen nicht fort. Die ersten kommen vom Niederdorf schon rauf. Ein jeder hat soviel Gepäck mit, als er tragen kann. Bis Frankenstein ins Lager dürfen kleine Handwagen mitgenommen werden.Wir können noch hierbleiben, weil Alfred noch krank ist. Klein-Baitzen braucht noch nicht weg. Einige Familien sind aber doch mit ausgerückt. Um ½ 1 Uhr ging der Transport von hier ab. Gegen 5 Jhr sind sie in Frankenstein im Lager „Gasthof zum Elefanten“ angekommen.
12. April
Vormittags sind sie kontrolliert worden. Tante Mariechen haben sie Schürzenstoff und Tante Liesel zwei Brote weggenommen. Um 2 Uhr gings zum Bahnhof. Um 9 Uhr abends soll der Transport abgegangen sein.
29. April
Der zweite Transport geht von Baitzen hab. Die ungefähr 50 Leute sind in Frankenstein gut behandelt worden.
9. August
Fast das ganze Dorf ist nach Kamenz evakuiert worden. Wirkamen mittags dort an und mussten gleich in die leeren Russenwohnungen ziehen (Streckenbachhaus). Wir besaßen ein Zimmer und kochten mit Schönfelders, Smolarskis, Frau Keller, Sendlers und Klinkes zusammen. Außerdem wohnten sie noch bei Gellrichs, Melchers, Rudolfs, Wenzigs, Rothers, Schneiders, Christophs, Bauers, Hoffmanns und das ganze Gründelhaus mit in diesem Hause. Der Mai, der Juni, der Juli waren ins schlesische Land gezogen. Es gab wunderschöne Sommertage und dennoch war die Stimmung sehr gedrückt. Es kamen wieder neue Trecks durch unser Dorf; diesmal größer und endgültiger.
Auch unsere Hoffnung auf ein Verbleiben in der Heimat schwand mehr und mehr. Es wurde schon mal etwas gründlicher darüber nahgedacht, was mitnehmenswert sei, wenn es einmal so weit wäre. Aber das sagt sich so leicht. Lebensmittel waren genau so wichtig, wie Kleidung, Schuhzeug, Teller, Töpfe, Tassen, Besteck, Papiere, Fotografien, Bücher, Werkzeug, Handtücher, Bürsten, vielleicht Taschen, Tischdecken, Regenschirme, Hüte, Mützen, Mäntel, Unterwäsche, Hemden – und das in ein, zwei Rucksäcken? Wir hatten auch nur verschwommene Vorstellungen, was wir im „Westen“ brauchen und was wir bekommen würden.
Am 24. August 1946 war es dann so weit. Einige Galizier hatten uns schon Tage vorher über das Bevorstehende unterrichtet. Die letzten Baitzner sammelten sich – der Abschied von der Heimat fiel uns schwer. Unglaubliches mag geschehen und mancher Zweifel an höherer Gerechtigkeit mag sich geregt haben.
In Kamenz schlossen sich die restlichen Baitzner unserem Treck an. Auch unser Weg führte nach Frankenstein und in den Zug. Wie verwirrt die Menschen, besonders die älteren, waren, zeigt sich mitunter an den Dingen, die sie mitgenommen hatten. Sie hatten beispielsweise zwei alte Leutchen Rübenhacke und Mistgabel bei sich. Ob wie je wieder normal denken würden? Ob wir uns einfach alles gefallen lassen mussten?
Die Waggons schlossen sich – wir waren aus der Heimat ausgesperrt! Jahrhunderte zerrannen in nichts!
Im Frühjahr 1946 zogen die ersten Handwagentrecks durch Baitzen und weiter nach Frankenstein. Dabei handelte es sich um Bewohner von Schlottendorf, Reichenau, Hertwigswalde und anderen Dörfern. Viele mussten ihre Wohnungen innerhalb von zwei Stunden verlassen. Pro Person durfte kaum merh als ein gefüllter Rucksack mitgenommen werden. Es war schon ein Jammer, die Erniedrigung dieser Menschen mit ansehen zu müssen. Wie aber muss da erst den Betroffenen zu Mute gewesen sein?
Anfang April mussten auch Teile der Baitzner Einwohnerschaft diesen Gang antreten. Doch lassen wir wieder Burgel Drescher berichten:
10. April
Die Bekanntmachung zum Aussiedeln der Gemeinde wird rausgegeben. Alles packt und macht sich fertig.
11. April
In den frühen Morgenstunden kommt Miliz und jagt die Bewohner aus den Wohnungen und versiegelt sie. Wer eine Arbeitsbescheinigung besitzet, darf hierbleiben auf kurze Zeit. Auch solche Familien, die Kranke haben, brauchen nicht fort. Die ersten kommen vom Niederdorf schon rauf. Ein jeder hat soviel Gepäck mit, als er tragen kann. Bis Frankenstein ins Lager dürfen kleine Handwagen mitgenommen werden.Wir können noch hierbleiben, weil Alfred noch krank ist. Klein-Baitzen braucht noch nicht weg. Einige Familien sind aber doch mit ausgerückt. Um ½ 1 Uhr ging der Transport von hier ab. Gegen 5 Jhr sind sie in Frankenstein im Lager „Gasthof zum Elefanten“ angekommen.
12. April
Vormittags sind sie kontrolliert worden. Tante Mariechen haben sie Schürzenstoff und Tante Liesel zwei Brote weggenommen. Um 2 Uhr gings zum Bahnhof. Um 9 Uhr abends soll der Transport abgegangen sein.
29. April
Der zweite Transport geht von Baitzen hab. Die ungefähr 50 Leute sind in Frankenstein gut behandelt worden.
9. August
Fast das ganze Dorf ist nach Kamenz evakuiert worden. Wirkamen mittags dort an und mussten gleich in die leeren Russenwohnungen ziehen (Streckenbachhaus). Wir besaßen ein Zimmer und kochten mit Schönfelders, Smolarskis, Frau Keller, Sendlers und Klinkes zusammen. Außerdem wohnten sie noch bei Gellrichs, Melchers, Rudolfs, Wenzigs, Rothers, Schneiders, Christophs, Bauers, Hoffmanns und das ganze Gründelhaus mit in diesem Hause. Der Mai, der Juni, der Juli waren ins schlesische Land gezogen. Es gab wunderschöne Sommertage und dennoch war die Stimmung sehr gedrückt. Es kamen wieder neue Trecks durch unser Dorf; diesmal größer und endgültiger.
Auch unsere Hoffnung auf ein Verbleiben in der Heimat schwand mehr und mehr. Es wurde schon mal etwas gründlicher darüber nahgedacht, was mitnehmenswert sei, wenn es einmal so weit wäre. Aber das sagt sich so leicht. Lebensmittel waren genau so wichtig, wie Kleidung, Schuhzeug, Teller, Töpfe, Tassen, Besteck, Papiere, Fotografien, Bücher, Werkzeug, Handtücher, Bürsten, vielleicht Taschen, Tischdecken, Regenschirme, Hüte, Mützen, Mäntel, Unterwäsche, Hemden – und das in ein, zwei Rucksäcken? Wir hatten auch nur verschwommene Vorstellungen, was wir im „Westen“ brauchen und was wir bekommen würden.
Am 24. August 1946 war es dann so weit. Einige Galizier hatten uns schon Tage vorher über das Bevorstehende unterrichtet. Die letzten Baitzner sammelten sich – der Abschied von der Heimat fiel uns schwer. Unglaubliches mag geschehen und mancher Zweifel an höherer Gerechtigkeit mag sich geregt haben.
In Kamenz schlossen sich die restlichen Baitzner unserem Treck an. Auch unser Weg führte nach Frankenstein und in den Zug. Wie verwirrt die Menschen, besonders die älteren, waren, zeigt sich mitunter an den Dingen, die sie mitgenommen hatten. Sie hatten beispielsweise zwei alte Leutchen Rübenhacke und Mistgabel bei sich. Ob wie je wieder normal denken würden? Ob wir uns einfach alles gefallen lassen mussten?
Die Waggons schlossen sich – wir waren aus der Heimat ausgesperrt! Jahrhunderte zerrannen in nichts!